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SAP baut neue Business Suite in der Cloud

loading="lazy" width="400px">Mit einer neuen Business Suite in der Cloud, in der alle Funktionsbausteine miteinander entlang der Prozessketten integriert sind, will SAP an alte On-Premises-Erfolge anknüpfen.Akash Sain – shutterstock.com



SAP hat mit Business Unleashed seine neue Geschäftsstrategie angekündigt. Um Kunden in ihren derzeitigen geschäftlichen Herausforderungen zur Seite zu stehen, setzt der deutsche Softwarehersteller auf drei Kernelemente: Prozesse, Daten und KI. Nur SAP sei in der Lage, daraus einen Dreiklang herzustellen, gibt sich Jan Gilg, Chief Revenue Officer für die Region Americas und verantwortlich für die SAP Business Suite, selbstbewusst. 



„Wir unterstützen Unternehmen dabei, ganze Prozessketten effizient zu gestalten“, beschreibt Gilg SAPs Ansatz. Dazu gehöre auch, die Daten, die entlang dieser Prozessketten generiert würden, entsprechend für die KI-Nutzung aufzubereiten, damit die Verantwortlichen in den Betrieben bessere Erkenntnisse aus ihren Datenbeständen gewinnen könnten. 



Prozesse: Business Suite in der Cloud



Dafür reaktiviert SAP mit dem Namen „Business Suite“ ein bekanntes und vor allem erfolgreiches Produkt-Label aus der klassischen On-Premises-Ära. Darunter fasste SAP ein Bündel verschiedener Softwarefunktionen zusammen: Im ERP-Kern SAP ECC (SAP ERP Central Component), ergänzt um SAP CRM (Customer Relationship Management), SAP SRM (Supplier Relationship Management), SAP SCM (Supply Chain Management) und SAP PLM (Product Lifecycle Management). 



Der große Vorteil, den die Business Suite aus Anwendersicht bietet: Sämtliche Applikationsmodule sind von Haus aus miteinander verzahnt und integriert. Prozessketten lassen sich damit komplett abdecken. Diese Fähigkeiten sind mit ein Grund dafür, warum die Business Suite bei vielen Anwenderunternehmen nach wie vor sehr beliebt ist und etliche Kunden noch bis vor wenigen Jahren viel Geld in das Applikationspaket investiert haben – obwohl seit Anfang 2015 mit S/4HANA längst das Nachfolgersystem am Markt war. 



SAP kommt Kunden entgegen



Den guten Namen will SAP nun offenbar auch für seine Cloud-Lösungen nutzen und hofft damit wohl auf mehr Rückenwind. Denn nach wie vor fremdeln viele SAP-Kunden mit dem Umstieg ihrer Business-kritischen Applikationen in die Cloud. Mit der neuen Business Suite sei SAP jetzt in der Lage, auch in der Cloud End-to-End-Prozesse anbieten zu können, wirbt SAP-Mann Gilg. Dafür habe der Hersteller die unterschiedlichen Technologie-Stacks und Cloud-Services zusammengebracht. Basis dafür bildet die Business Technology Platform (BTP).  



Die zentrale Neuerung der Cloud Business Suite liege darin, dass wieder ganze Prozessketten der Anwender in dem neu integrierten Paket abgebildet werden könnten, betont Gilg. Der SAP-Manager will daher auch nicht von einer Produktankündigung sprechen. 



Daten: Business Data Cloud (BDC)



Die Prozessketten bilden auch die Grundlage für den zweiten Ton in SAPs Dreiklang – die Daten. Die sollen künftig in der Business Data Cloud (BDC) einsortiert werden. SAP spricht an dieser Stelle von einer einheitlichen semantischen Ebene für Daten aus SAP-Systemen wie auch von Drittanbietern. Viele Unternehmen müssten heutzutage einen hohen Aufwand treiben, um verschiedene Datenquellen zu pflegen, die Datenlandschaften zu harmonisieren und überhaupt eine einheitliche Datenschicht aufzubauen, beschreibt Michael Ameling, Executive Vice President und Chief Product Officer für die BTP, die Ausgangssituation. Bis zu 50 Prozent ihres IT-Budgets würden Betriebe dafür ausgeben. 



Ameling vergleicht die BDC mit einer hochqualifizierten Übersetzungsmaschine. Die verschiedenen Datenquellen würden schließlich alle eine andere Sprache sprechen mit den entsprechenden Regeln und Bedeutungen. Über die BDC erhielten Anwenderunternehmen eine gemeinsame semantische Ebene, die dafür sorgt, dass alle diese Daten nahtlos zusammen bearbeitet und verstanden werden können. „Datenquellen arbeiten harmonisch zusammen und geben wertvolle Einblicke.“ 



SAP hatte bereits vor rund zwei Jahren mit Datasphere bereits Ähnliches versprochen. Anwender könnten mit SAP-Werkzeugen und Partner-Tools auf sämtliche Datenbestände zugreifen – in SAP- wie in Non-SAP-Systemen, in der Cloud und On-Premises, hieß es Anfang März 2023. Ameling zufolge baue die BDC auf Datasphere auf. Der Unterschied sei jedoch, dass die neue Data Cloud ein komplett von SAP verwaltetes SaaS-Angebot sein werde, während Datasphere von den Kunden selbst eingerichtet und betrieben werden musste. Da seien teilweise unglaubliche Aufwände hineingeflossen, berichtet der SAP-Manager. 



Datenmanagement soll einfacher werden: SAP stellt seine Datasphere vor



In der BDC integriert SAP eigenen Angaben zufolge selbst die verschiedenen Bestandteile und die Kunden könnten die entsprechenden Services out of the Box nutzen. Ameling nennt als Beispiel die Integration von Databricks. Deren Funktionen seien komplett in die BDC eingebettet. „SAP fügt alles zusammen und kümmert sich um das Management“, beschreibt der Manager das Angebot. „Ein Vertrag, ein Preismodell.“ 


Viele SAP-Kunden haben in Databricks investiert, sagt SAP-Manager Jan Gilg. Man müsse die Marktrealitäten anerkennen.IDG



SAP müsse an dieser Stelle die Marktrealitäten anerkennen, ergänzt sein Kollege Gilg. Viele Kunden hätten schließlich massiv in Databricks investiert und gegenüber SAP klar kommuniziert, sie könnten für die BDC nicht ihre anderen Datenlösungen rausschmeißen, beschreibt Gilg das Feedback der Anwender. Außerdem bringe Databricks Fähigkeiten im Machine Learning Engineering mit, die SAP so nicht in der BDC bieten könne. Databricks und SAP ergänzten sich, so der SAP-Manager. „SAP mit transaktionalen und operationalen Daten sowie unstrukturierte Daten aus Databricks.“ 



Künstliche Intelligenz: Datenprodukte und Insight Apps



Letztendlich bildet die von SAP verwaltete und gesteuerte Business Data Cloud auch eine harmonisierte Datengrundlage, die es Kunden ermöglichen soll, Business AI für alle ihre Daten zu nutzen. Der Softwarehersteller kündigte eine Reihe von Datenprodukten an, die entlang verschiedensten Business-Prozessen angesiedelt sind – von Finance über die Supply Chain bis hin zu Human Ressources aus SAP SuccessFactors. Diese Datenprodukte basierten auf vorkonfigurierten Schnittstellen in der BDC. Aufwändige und kostenintensive Arbeiten rund um Datenextraktion und -aggregation entfielen, verspricht SAP. Der Konzern spricht von einer regelrechten Data Product Economy, die auf Basis der BDC entstehen könnte. 



SAP-CEO Christian Klein: Alles, was wir tun, enthält KI



Darüber hinaus will SAP sogenannte Insights Apps anbieten, die auf eine Kombination von Datenprodukten und KI-Modellen basierten. Diese vorkonfigurierten Analyseanwendungen will SAP für verschiedene Geschäftsbereiche anbieten. Beispielsweise soll es zum Start eine Working Capital Insights App geben. 



Zu guter Letzt verspricht SAP seinen Kunden auf Grundlage der BDC auch mehr Effizienz für den eigenen GenAI-Bot Joule. Dieser werde konsequent in alle Anwendungen integriert und schaffe damit mehr Möglichkeiten, neue Joule-Agenten zu bauen, hieß es. Dafür stünden Anwendern vorgefertigte Templates und APIs zur Verfügung, verspricht Ameling. Es gehe darum, Agenten zu schaffe, die in einer gewissen Weise autonom miteinander agierten, entlang der gesamten Wertschöpfungskette. 



SAP setzt alles auf die Cloud-Karte 



SAP-Mann Gilg betont an dieser Stelle, dass solche Angebote nur optimiert werden könnten, wenn die entsprechenden Systeme bei SAP in der Cloud liefen. Der Manager macht keinen Hehl daraus, dass SAP alles versucht, die Kunden sehr aktiv in die Cloud zu bringen. Damit hat sich der Softwarekonzern in der Vergangenheit nicht unbedingt nur Freunde in seiner Klientel gemacht. Anwender kritisierten in den vergangenen Jahren immer wieder funktionale Lücken, fehlende Integration und eine hakelige Datenharmonisierung in SAPs Cloud-Lösungen. 



Das sei nun Vergangenheit. „Wir sind jetzt an einem Stand, wo wir tatsächlich auch wieder in der Cloud von einer Business Suite sprechen können“, beteuert Gilg. Darüber habe sich SAP immer differenziert, „nicht einzelne Probleme mit einzelnen individuellen Applikationen oder Best of Breed Applikationen zu lösen, sondern end to end auf Geschäftsprozesse zu schauen“. Genau diese Geschäftsprozesse müssten in SAPs Software abgedeckt werden, und zwar so, dass der Kunde letztendlich keinen Integrationsaufwand habe. 



SAP-CEO Christian Klein im Interview: SAP hätte mehr auf das Customizing achten sollen



Das funktioniere am besten, wenn die Lösung zu 100 Prozent von SAP verwaltet in der Cloud laufe, lautet die klare Botschaft der SAP-Manager. Zwar funktionierten viele dieser Integrationen auch in der Private Cloud, allerdings nur, wenn Kunden SAPs Best Practices adaptierten und entsprechend Erweiterungen so bauten, dass sie den SAP-Vorgaben hinsichtlich Clean Core entsprechen. Allerdings sei mit der Private Cloud meistens noch ein wenig Projektarbeit verbunden. 



On-Premises heißt mehr Projektarbeit



Aufwändig werde es allerdings für On-Premises-Kunden, so die SAP-Ansage. Diese könnten sich zwar auch in Cloud-Produkte wie Ariba und SuccessFactors einklinken. SAP stelle entsprechende APIs und Integrationen zur Verfügung. „Aber das Ganze ist natürlich mit viel mehr Projektarbeit verbunden“, macht Gilg klar. Kunden hätten sehr viele Aufwände und müssten sich darum kümmern, dass die entsprechenden Integrationen auch funktionierten. „Dementsprechend ist die neue SAP Business Suite auch eine Cloud Suite.“ 



S/4HANA in der Cloud: SAP lockt – die Anwender zögern



Ob die SAP-Anwender den Weg ihres Softwarelieferanten mitgehen, bleibt abzuwarten. Auf Seiten der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) gibt man sich keinen Illusionen hin. „SAP hat keine neue Software gebaut“, sagt Thomas Henzler, DSAG-Fachvorstand Vertrieb, Produktion & Logistik. „Die Business Suite ist grundsätzlich erst einmal ein Zielbild, aber kein Produkt.“



SAP baut “managed Integration”



Kunden kauften künftig ein Cloud-Enterprise-Resource-Planning (ERP)-System, entweder Cloud Public oder Privat Edition, erläutert der Anwendervertreter. Die neuen Rise- und Grow-Journeys, die in diesem Zuge angekündigt würden, sollen die Kunden zu diesem Zielbild leiten. Dabei sei das strategische ERP-Produkt aus Sicht von SAP die S/4HANA Cloud, Public Edition oder neu Cloud ERP Public. 



DSAG fordert mehr Praxisbezug: GenAI-Strategie von SAP bleibt undurchsichtig



Bezüglich der Integration stellt der DSAG-Vertreter fest: „Hier hat SAP in der Vergangenheit eine technische Plattform mit der Cloud Integration Suite entwickelt und ein dazugehöriges Mapping. Die Kunden mussten dieses aber selbst implementieren, bezahlen und betreiben.“ Zukünftig wolle SAP mehr und mehr eine „managed Integration“ anbieten, bei der der Software-Konzern auch technisch den Betrieb übernimmt. Als Beispiel dafür nennt Henzler die Ankündigung auf der Sapphire 2024 zur Customer-Relationship-Management (CRM)-Lösung Sales Cloud, die Teil des Grow-with-SAP-Bundles wurde. Hier gebe es bereits eine solche „managed Integration“ – allerdings im Kontext von S/4HANA Cloud, Public Edition. 


SAP will kommerzielle Anreize setzen, mehr SAP zu kaufen, sagt Thomas Henzler, DSAG-Fachvorstand Vertrieb, Produktion & Logistik.DSAG



„Im Kern der Business Suite steckt aber auch der kommerzielle Anreiz für Kunden, mehr SAP zu kaufen, und zwar durch neue Rabattstaffeln, die sich nach der Anzahl an eingesetzten SAP-Produkten richten“, stellt Henzler fest. Der Software-Konzern scheine es Kunden so attraktiver machen zu wollen. „Sie sollen SAP-Produkte einsetzen – besonders in den Line-of-Business (LoB)-Lösungen wie CRM, statt auf einen anderen Anbieter zu setzen.“